Bücher über Architektur: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Kunst als Bedeutungsträger (Gedenkschrift für Günter Bandmann) (1978) ===
=== Kunst als Bedeutungsträger (Gedenkschrift für Günter Bandmann) (1978) ===
"Diese Sammlung von Aufsätzen sollte ein Festschrift werden. Im Herbst 1974 schien es uns eine selbstverständliche Verpflichtung zu sein, weine Festgabe zu planen, die Günter Bandmann zu seinem 60. Geburtstag - er wäre am 10. September 1977 sechzig geworden - zugedacht war. Verbundenheit und Dank sollten durch Beiträge bezeugt werden, die sich in dieser oder jener Form den Interessen und Forschungsgebieten Bandmanns zuordneten. Nach dem viel zu frühen Tode Bandmanns am 24. Februar 1975 wandelte sich die Festschrift zur Gedenkschrift - als ein Zeugnis für den Verlust, der die deutsche Kunstgeschcihte betraf, und zugleich als ein Zeichen, daß viele in sehr verschiedener Weise das Gespräch um Probleme weiterführen wollen, deren Erhellung gerade Bandmann entscheidende Impulse verdankt." (XI)
"Diese Sammlung von Aufsätzen sollte ein Festschrift werden. Im Herbst 1974 schien es uns eine selbstverständliche Verpflichtung zu sein, weine Festgabe zu planen, die Günter Bandmann zu seinem 60. Geburtstag - er wäre am 10. September 1977 sechzig geworden - zugedacht war. Verbundenheit und Dank sollten durch Beiträge bezeugt werden, die sich in dieser oder jener Form den Interessen und Forschungsgebieten Bandmanns zuordneten. Nach dem viel zu frühen Tode Bandmanns am 24. Februar 1975 wandelte sich die Festschrift zur Gedenkschrift - als ein Zeugnis für den Verlust, der die deutsche Kunstgeschcihte betraf, und zugleich als ein Zeichen, daß viele in sehr verschiedener Weise das Gespräch um Probleme weiterführen wollen, deren Erhellung gerade Bandmann entscheidende Impulse verdankt." (XI<ref>Werner Busch, Reiner Haussherr, Eduard Trier (Hg.): Dunst als Bedeutungsträger. Gedenkschrift für Günter Bandmann. Berlin 1978.</ref>
 
==== Franz Rademacher: Zur Symbolik des Drachens im Mittelalter. ====
<ref>Franz Rademacher: Zur Symbolik des Drachens im Mittelalter. Apotropäische Drachen an Kirchengiebeln und auf Reliquiaren. In Werner Busch, Reiner Haussherr, Eduard Trier (Hg.): Dunst als Bedeutungsträger. Gedenkschrift für Günter Bandmann. Berlin 1978, 61-76.</ref>
"Der Drache zählt zu den Fabelwesen und ist, wie eine Reihe anderer mittelalterlicher Ungeheuer, ein Mischwesen. Daher ist er nicht immer leicht von anderen Tieren zu unterscheiden. Dies gilt vor allem gegenüber der Schlange und dem Basilisken. Ohne Beine und Flügel läßt sich der Drache von der Schlange, als deren 'Sproß'  er sich in den Acta Thomae bezeichnet, meist nur an dem ziemlich ausgeprägten Drachenkopf unterscheiden. Und vom Basilisken, der gleichfalls ein Fabel- und Mischwesen ist, trennt ihn namentlich dessen Vogelkopf mit hahnenförmigem Kamm." (61)
 
"In seiner Deutung ist der Drache zwiespältig. In der Volksmeinung galt das Drachenungeheuer, das die Phantasie des mittelalterlichen Menschen als ein real gedachtes Wesen aufs lebhaftigste beschäftigte, meist als das Untier schlechthin, als die Verkörperung alles Bösen und Unheilvollen. Heldenhafte Drachenkämpfer spielen in heignischen Mythen, Sagen und Legenden zahlreicher Völker eine besondere Rolle. In der christlichen Kunst tritt an deren Stelle vor allem der Erzengel Michael, der Drachenbezwinger und Seelengeleiter. In hartem Kampf besiegt er mit seinem Engelgefolge den apokalyptischen Drachen." (Offb 12,9) (61)
 
"Für die Kirche war der Drache die Inkarnation des Dämonischen, des Sündhaften und Teuflischen, gegen dessen Einfluß anzukämpfen die immerwährende Auseinandersetzung des Guten mit dem Bösen, des Lichtes mit der Finsternis bedeutet." (61)
 
"Viele Heilige hatten nach der Legende in ihrem Leben harte Kämpfe mit dem Drachen, gleich dem Teufel, dem Antichristi, dem Symbol des Heidentums zu bestehen. Sie sind die Vorbilder für die Gläubigen, die nur in ständigem geistigem Kampf mit der Macht des Bösen den Lohn des ewigen Lebens erringen können." (62)
 
"Nach der Anschauung des von dämonischen Mächten sich ständig bedroht fühlenden Menschen des Mittelalters gab es einen Ort, der dem Eindringen böser Geister besonders ausgesetzt war, nämlich das Dach eines Gebäudes, sei es eines Hauses, eines Speichers, eines Turmes oder einer Kirche. Das Dach, bzw. die Zone zwischen Baukörper und Dach, oder das Dachgesims galt daher als besonders schutzbedürftig, was die Menschen seit alters zu Abwehrmaßnahmen gegen böse Mächte gerade an diesen gefährdeten Stellen veranlaßte. Masken mannigfachster Art, ferner Tiere bzw. Tierköpfe übernahmen vorwiegend diese apotropäische Schutzfunktion. Unter den Tieren spielt hierbei der Drache eine bevorzugte Rolle. In den fratzenhaften Wassersepeiern gotischer Kathedralen, die häufig Drachen und Teufel sowie ähnliche Monstren wiedergeben, ist diese Vorstellung durchaus noch lebendig, und im Volksglauben und in der Volkskunst vieler Länder lebt sie bis heute fort." (63)
 
"Am eindruckvollsten treten uns Kirchenbauten, die durch Drachen gegen das Eindringen von Dämonen geschützt werden, in den norwegischen Stabkirchen romanischer Zeit entgegen. Sie sind bedeutende Zeugnisse einer eigenschöpferischen germanischen Holzbaukunst. Bei Ihnen kommt der apotrophäische Charakter der in den Köpfen der Drachen gesammelten Abwehrkraft am reinsten zum Ausdruck." (63) <br>
Borgund : https://www.openstreetmap.org/#map=16/61.0466/7.8125 <br>
Fortun : https://www.openstreetmap.org/#map=17/61.49315/7.68665 <br>
Fantoft : https://www.openstreetmap.org/#map=16/60.3529/5.3572 <br>
Hopperstad : https://www.openstreetmap.org/#map=17/61.07748/6.56906


==== Erika Doberer: Romanische Figurenfriese und ihre ehemaligen Bildträger ====
==== Erika Doberer: Romanische Figurenfriese und ihre ehemaligen Bildträger ====
<ref>Erika Doberer: Romanische Figurenfriese und ihre ehemaligen Bildträger. In: Werner Busch, Reiner Haussherr, Eduard Trier (Hg.): Dunst als Bedeutungsträger. Gedenkschrift für Günter Bandmann. Berlin 1978, 77-94.</ref>
"In seiner richtungsweisenden Interpretation der mittelalterlichen Sakralarchitektur hat Günter Bandmann besonders auf die schrankenartigen Einbauten an der ursprünglichen Grenze des liturgischen Chores hingewiesen und ihre wesentliche Bestimmung als sakrale Bildträger hervorgehoben, die aus ihrer primären Funktion der radikalen Raumschneidung zwischen Klerus und Laienschaft erwachsen ist. An der Front des abgeschrankten Bereiches der einst dem Chorgebet diente und gleichsam eine 'Kirche in der Kirche' bildet, bot der hochmittelalterliche, mit Kreuzalaltar und Trimphkreuz verbundene Lettner einst seine gegliederte Schauseite, zumeist mit figuraler Ausstattung, den Blicken der versammelten Laien dar. Das Programm der polychromierten Reliefbildwerke, die den später zerstörten Einbauten, den romanischen Steinlettnern sowie ihren gotischen Nachfolgern angehörten, entsprach vor allem dem Inhalt des gesungenen, eben von der Lettnerbühne aus verkündeten Wortes, umfaßte also wichtige Ereignisse der Heilsgeschichte, die jeweils in verschiedenen, entweder typologisch oder neutestamentarisch ausgerichteten Zyklen szenisch dargestellt wurden." (77)
"Bei der nachmittelalterlichen Erneuerung des Kircheninnern kam es auf dem europäischen Kontinent fast überall zur bewußten Zerstörung der übermannshohen, den Raumeindruck blockierenden Einbauten, von welcher besonders die romanischen Lettner und Schranken betroffen waren;" (77)
"In den Schriftquellen scheint die nachmittelalterliche Wiederverwendung von Lettnerfragmenten nur selten auf; wahrscheinlich vollzogen sich derartige Maßnahmen zumeist nach improvisierten, teilweise lokal bedingten Beschlüssen, deren Inhalt ja auf die Beschaffenheit des jeweils vorhandenen Baudenkmals abgestimmt sein mußte. In dieser Hinsicht erweisen sich einige tridentinische Konzilsbestimmungen als bezeichnende Äußerungen, in denen die kirchliche Auseinandersetzung mit dem damals aktuellen Schicksal derartiger Bruchstücke zum Ausdruck kommt. Im Zusammenhang mit der Restaurierung von Kirchen wird in Tridentinum für den Fall eines Abbruchs festgelegt, daß die 'usus sordidi' solcher Fragmente, als eine mißbäuchliche Verwendung sakraler Werkstücke, zu vermeiden sei." (78) (Tridentinum, 21. Sitzung, Kapitel 7)
"Von manchen Reliefplatten abgehobener Lettnerbrüstungen wissen wir heute schon, daß sie mit ihren glatten Rückseiten auf den Fußboden der Kirche eine bescheidene Verwendung fanden, welcher wir aber die spätere Auffindung hervorragender Bildwerke, wie jene vom Jubé der Kathedrale von Chartres, verdanken." (80)
In St. Gilles wurden die Platten des romanischen Lettners in das Westportal eingearbeitet. (84)
Beaucaire : https://www.openstreetmap.org/#map=18/43.80811/4.64356 <br>
Tarascon : https://www.openstreetmap.org/#map=17/43.80558/4.65588
Tarascon : https://www.openstreetmap.org/#map=17/43.80511/4.66041
I - Modena : https://www.openstreetmap.org/#map=17/44.64630/10.92552


== Anhang ==
== Anhang ==

Version vom 23. August 2019, 09:17 Uhr

Bücher über Architektur

Ikonologie der Architektur (1969)

Günter Bandmann brachte 1969 das Buch "Ikonologie der Architektur" heraus.[1] Darin heißt es:

"Zunächst ist Frankreich und auch das geistig abhängige Belgien als ein Hort der Ikonographie zu nennen." (4)

"Die Ikonographie alten Stiles beschränkt sich auf die Bestimmung der praeexistenten, durch das Kunstwerk abgebildeten Inhalte. Aber schon die humanistische Ikonographie und auch die christliche Archäologie mußten das Problem der Bedeutung, d.h. der Beziehung eines in der Darstellung eingeschlossenen Sinnes auf einen übergeordneten Zusammenhang berücksichtigen. Die Ikonographie als Kund von den abgebildeten Inhalten wurde damit zu einer Kunnde von der Bedeutung der Inhalte erweitert, sie wurde Symbolkunde, Inkonologie. Wenn Christus z.B. als hellenistischer Herrscher dargestellt wurde, so sollte er zweifellos nicht das Abbild eines hellenistischen Herrschers sein, sondern man wollte mit der Fixierung der antiken Attribute einen übergeordneten Rang und Anspruch andeuten, der durch die geschichtliche Verwendung den Zeichen zugewachsen war und den sie anschaulich machten, ja, im mittelalterlicen Sinne sogar mit sich trugen." (6)

"In der Kunst der Frühzeiten ist häufig der Übergang von inhaltlicher Schilderung zur symbolischen Abkürzung, die ein Allgemeinwissen vertritt, und damit zur Bedeutung zu beobachten." (6)

"In allen diesen Fällen löst die Ikonologie (Bedeutungskunde) die Ikonographie (Inhaltskunde) ab. 'Denn bei der ikonographischen' (ikonologischen) 'Interpretation handelt es sich nicht nur um die Erkenntnis des im einzelnen' Kunstwerk Dargestellten, sondern in noch viel höherem Grade um das Verständnis der ganze Summe von Gedanken- und Gefühlsverbindungen, in deren Mitte es stand; das bloße Erkennen der Szene würde die Menge des Auszudrückenden nicht erschöpfen, daher auch Bedingungen verkennen, die für die Gestaltung - im weitesten Sinne - bestimmend sein mußten oder konnten." (7)

Tietze: "Demnach ist der ikonographischen Interpretation die Aufgabe gestellt, nicht nur das Dunkel zu erhellen, das den Gegenstand des Denkmals unverständlich macht, sondern noch mehr die Intention, also den geistigen Zusammenhang, herzustellen." (7)

"Dieser Bezüglichkeit besonderer Art ist auch die Architektur unterworfen, auch sie ist Träger von Bedeutungen und Hinweisen, die durch zahlreiche Quellen belegt werden können." (7)

"Wenn man wert auf terminologische Exaktheit entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch legt, müßte man also sagen, daß es keine Architekturikonographi, wohl aber eine Architekturikonologie gibt. Das heißt, die Ikonologie versucht die Frage zu beantworten: Was hat den Menschen damals diese oder jene Form bedeutet und welche Folgen sind für das Kunstwerk damit verbunden? Dagegen fragt die Ikonographie: Was stellt dieses oder jenes dar, was bildet es ab?" (8)

Sauer: "Alles was in kirchlichen Diensten und Dingen an Ausstattungen vorkommt, ist von göttlichen Hinweisen und Geheimnissen und jedes einzelne atmet himmlische Süße. Doch nur, wenn sie einen aufmerksamen Betrachter findet, der versteht, 'den Honig aus dem Felsen und das Öl aus dem härtesten Gestein zu saugen'." (12)

Ein Beispiel der Beschreibung: "In der Mitte hoben zwölf Säulen, entsprechend der Zahl der Apostel und ebensoviel in den Seitenschiffen, die Zahl der Propheten kennzeichnend, den Oberteil des Gebäudes empor, nach den Worten des Apostels, der im Geiste baut: 'So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Bürger mit den Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf dem Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, welcher die Wände von beiden Seiten eint, in dem jedes Bauwerk, sei es geistig oder materiell, wächst zu einem heiligen Tempel des Herrn'." (12)

"Der Stein ist der tote Stoff, der einen reinen Nützlichkeitswert hat, das organische Leben spielt sich auf seiner Oberfläche ab." (13)

"Die plötzliche frappante Ähnlichkeit etwa in der Plastik des 13. Jahrhunders im Vergleich zu römischen oder gar griechischen Skulpturen verstand sich dann als Parallele. Ohne das Faktum der Wachstumsparallele in sich leugnen zu wollen ..., läßt sich doch sagen, daß in der Architekturgeschichte dieses Modell meistens versagt. Weder das karolingische durchlaufende Querhaus läßt sich aus einer zunehmenden Bereicherung der Ostanlage erklären - es steht gleich von Anfang an voll ausgeprägt in Übereinstimmung mit dem konstantinischen da - doch die salisch-staufische Zerggalerie als zunehmende plastische und räumliche Durchdringung von Blendformen verstehen; sie ist gleich am Speyerer Dom im 11. Jahrhundert vollentwickelt da und man könnte mit Recht fragen, ob nicht die fast zufällig herausgewählten 'Vorstufen' und 'Abkömmlinge' in Blendenform, die sich nur in Gebieten außerhab des Oberrheins finden lassen, etwas anderes sind, eine weiterlebende oder auch rezipierte Schicht einer anderen antiken Bauform, eben der Blendgalerie." (19)

"Durch die Untersuchungen von R. Krautheimer wissen wir, daß im Mittelalter die Formen bei der Kopie nur insoweit vom Vorbild übertrage werden, als sie Träger von Assoziationen zur Bedeutung des Vorbildes sind So ist nach den Urkunden Germigny-des-Près eine Nachbildung der Aachener Pfalzkapelle, Petershausen von St. Peter in Rom. und der karolingische Palast in Aachen eine Nachahmung des römischen Lateranpalastes. ... Ungefähre formale Ähnlichkeiten befriedigte, wenn nur das Nacherleben oder die Bannung der an das Vorbild geknüpfte Ereignisse und Mächte ermöglicht wurde. Die Übereinstimmung kann sich auf ganz allgemeine Dinge beziehen, z.B. auf die Zahl der Stützen. Die symbolische Zahl kann auch auf die Maße der Stützen angewendet werden und an die Stelle der Antiken, durch formale Gesetze bestimmten Proportionen treten. Drei oder vier wiederholte Maße, einige kopierte Glieder genügen, die Identität der Bedeutung zu sichern. Je ungewöhnlicher die Gestalt des Vorbildes, je entlegener der Kulturkreis, dem es entstammt, desto weniger ist man auf totale Kopie angewiesen. Einige Reminisencen genügen. Das Vorbild wird in typische Teile aufgelöst und diese werden in der Kopie neu gruppiert. Unter Umständen genügt schon die Dedikation an den gleichen Patron, um das Vorbild im Geiste neu entstehen zuu lassen." (20)

Ein Beispiel: "der König der Assyrer Sanherib zerstörte 689 v.Chr. das aufständische Babel, die Hauptstadt des älteren Nachbarreiches, das sich immer wieder aus der Herrschaft der Assyrer freizumachen versuchte. Er spricht aus, daß er den eigenen Landesgott an die Stelle des babylonischen Hauptgottes Mardukk setzen will. Er übernimmt die Kultformen und den Bautyp des Marduk-Heiligtums nach Assyrien, um die Mardukkraft für sich zu gewinnen. Der bei Asurheiligtümern ursprünglich übliche Torherdtempeltyp wird aufgegeben und ein ebabylonische Zikkurat errichtet." (23)

"Besonders wichtige formale Folgen stellen sich ein, wenn sich diese unsichtbare göttliche Ordnung auch durch andere Architekturpetaphern ausdrücken läßt, etwa als Himmelsstadt, als Burg oder als Königspalast." (24)

"Das Christentum griff seit dem 4. Jahrhundert die mit einer bestimmten, wenn auch schon verblaßten Bedeutung behaftete Bauformen - Säule, Apsis, Bogen, Wölbung - auf und gab ihnen in ihrer Zusammensetzung zum Gesamtwerk einen neuen Sinn als Gottesreich, Gottesstadt, der eine Modifizierung der uralten Vorstellung vom Hause Gottes darstellt." (24)

Im alten Reich Ägyptens hieß das Grab "Haus der Ewigkeit". Auf einer Grabinschrift des Gaufürsten Chuefhor (9. Dynastie) heißt es: "Ich habe mein Haus gebaut." - "Einmal hatten die nomadisierenden Stämme schon immer die Gewohnheit, ihre Toten zurückzulassen. Zwar hielten sie sich auch für weiterlebend und versahen sie mit Speisen und Trank; aber da ihnen das Wohnhaus als architektonisch formuliertes Gebilde nicht geläufig war, legten sie die Toten in Gruben, wie sie ihnen vielleicht selbst als flüchtiger Aufenthalt, für wenige Nächte als Lager dienten. Vielleicht versahen sie das Grubengrab mit einem vergänglichen zelt- oder hüttenartigen Dach, vielleicht genügte ein Mal als Zeichen.
Diese Gewohnheiten, die Toten von den Lebenden zu scheiden, wurde dann auch bei der seßhaften Bevölkerung üblich, wenn, wie es sich in der Geschichte häufig ereignete, sich die nomadisierenden, meist kriegerischen Stämme zu den Herren der seßhaften Bauern und Städter machten. Die Gräber blieben dann in einem geschlossenen Bezirk außerhalb der menschlichen Siedlung, oft vor den Toren der Stadt, ahmten aber noch weiterhin den Wohnbau nach." (27)

"in Aquileja empfing der thronende Bischof die Täuflinge zur Firmung, der Altar stand in einem anderen Bauwerk, in Rom beanspruchte schon sehr früh der Bischof die legitime Vertretung des nach Konstantinopel übergesiedelten Kaisers. Erst in den Nachfolgebauten traten andere Bedeutungen an die Stelle des Thronsaales: In Alt-St.Peter als Märtyrerkirche vielleicht der Heroongedanke, in der karolingischen und frühottonischen Querhauskirchen die geschichtliche Bedeutung als konstantinische Schöpfung und im allgemeinen die allegorisch Bedeutung der Kreuzgestalt Christi. Auch die Einführung antiker Mausoleusformen in den christlichen Kirchenbau stellt eine solche bedeutungsgebende Haltung dar, die erst nach und nach in der Gestalt der kreuzförmigen Basilika mit Turm über der ausgeschiedenen Vierung sich zu einem typisch-christlichen Gebildet verdichtete." (29)

"Zunächst kann es sein, daß, wenn dem ganzen Gebäude die Bedeutung des Kosmos, des Weltgefüges unterlegt wird, die Einzelteile sich nach dieser Bedeutung umprägen können. Diese Vorstellung des Gebäudes als Abbreviatur der Gesamtwelt stellt sich ein, wenn der Herr des Hauses, die Gottheit oder der König, als Herr der ganzen Welt geglaubt wird und die einzelnen Teile nun auf diese größere Heimat hinweisen. Das Dach des Gebäudes war der Himmel, der Boden die Erde, die Stützen bedeutende Pflanzen oder antropomorphe, der Gottheit dienende Wesen, die das Ganze tragen. Mit dieser kosmischen Interpretation war der Punkt gegeben, da die aus de Hausbau abgeleiteten Formen mit einer über ihren struktiven Zweck und ihre immanente Symbolik hinnausgenden allegorischen Bedeutung geladen wurden. Aus zahlreichen Hinweisen können wir erschließen, daß das Gewölbe und selbst das Sparrendach das Himmelszelt bedeutete, dass die Stützen die Pflanzenwelt oder Lebewesen darstellten." (31)

"Auch im christlichen Kirchenbau wurde nach der Herstellung der Verbindung mit der Antike diese Bedeutung wirksam, nur muß gesagt werden, daß, wenn sich auch die Bedeutung der Kirche als Kosmos und als Wohnhaus Gottes nachweisen läßt, die Bedeutung als Himmelsstadt bei weitem überwiegt. Das Hervortreten dieser Allegorie ist begründet im Wesen des christlichen Gotteshauses, zu dem die Gemeinde der Gläubigen konstitutiv gehört, im Gegensatz zum heidnischen Tempel, der in erster Linie dem Gotte vorbehalten ist." (31)

"Seit der Antike übliche Symbole der Stadt auf bildlichen Darstellungen wie die Doppelturmfassade (-Stadttor) und das Nischenportal tauchen in der Baukunst des nordischen Mittelalters am Kirchenbau auf. Obwohl auch hier andere, nicht auf den Städtebau hinweisende morphologische Ableitungen möglich sind, ist die Abwandlung des in Italien üblichen Basikientyps in dieser Richtung unter dem Eindruck der allegorischen Interpretation des Kirchenbaus (ecclesis - civitas Dei - Nova Jerusalem), die im 12. Jahrhundert ihren Höhepunkt hat, überzeugender. Vornehmlich die Dreiturmgruppe, das Castellum genannte Westwerk und die Torburg stimmen vollkommen mit zeitgenössischen bildlichen Stadtdarstellungen überein." (32)

"Das gotische Figurenportal resumiert sozusagen bildlich die Bedeutung der Kathedrale als Himmelsstadt, es mach wirklich sinnlich anschaulich, was das Gesamtgebäude verschlüsselt bedeutet." (34)

"Wir können beobachten, wie das dem Chorraum und Westbau zuerst vorbehaltene Gewölbe auf das Langhaus übergreift, wie die Blend- und Zwerggalerie vom Westen - als antika Attika - auf die Apsis übertragen wird und von dort an das Langhaus wandert, wie das Triforium von der Apsisrundung in Querschiff und Langhaus zieht. Man kann sogar sagen, daß eine Innenraumgestaltung wie in Speyer II - Pfeiler mit aalternierenden Halbsäulenvorlagen, die ein baldachinartiges Gewölbe tragen - eigentlich eine Aneinanderreihung von gewölbebekrönten Vierungen darstellt, wobei die Stützen das alte Triumphbogenmotiv wiederholen." (40)

"Das Sichtbarmachen und zusammenfassende Herausstellen hat einen Höhepunkt im 13. Jahrhundert. Seit dieser Zeit ist auch der Kirchenraum als geschautes Ganzes und nicht nur als 'Negativ des plastischen Baukörpers', als Apparat mit symbolischen Hinweisen aufzufassen." (41)

Mittelalternliche Architektur als Bedeutungsträger (1951)

Günter Bandmann veröffentlichte 1951 das Buch "Mittelalternliche Architektur als Bedeutungsträger".[2] Darin heißt es:

"Am Speyerer Dom sind seit der Mitte des 11. Jahrhunderts Formen zu beobachten, die neuartig in der bisher nördlich der Alpen gewohnten Architektur erscheinen: Halbsäulen als Gliederung des Ostchores, als Vorlagen im Mittelschiff und in den gewölbten Seitenschiffen, eine das ganze Gebäude umziehende Zerggalerie, etwas von der Wand abgerückte Vollsäulen als Stützen baldachinartiger Gewölbe in der Afrakapelle, korinthische Kapitelle von antikisierender Durchbildung, wie sie seit karolingischer Zeit im Abendland nicht mehr vorkamen." (8)

"Wenn man sagt, das Kunstwerk habe eine Bedeutung, so meint man damit einen Hinweis auf etwas, das über die materielle und formale Organisation des Kunstwerks hinausgeht, eine Einordnung in einen größeren Sinnzusammenhang. Der Bereich des Künstlierischen wird überschritten, indem man das Kunstwerk als Gleichnis, als Vertretung, als stoffliche Emanation eines Anderen auffaßt. Der Hinweis ist immer dann gegeben, wenn das Kunstwerk etwas abbildet oder darstellt." (11)

"Sowohl im frühen Mittelalter, als zur Zeit Karls des Großen, als zur Zeit Bernhards von Clairvaux waren die Möglichkeiten der Kunstauffassung sowohl im spätantik-formalen wie im archaisch--magischen Sinn gegeben, entsprechend dem symbolischen Grundcharakter mittelalterlicher Äußerung: das formale Vergnügen an künstlerisch gestalteten Gegenständen und die kultische Verehrung heiliger Dinge. Die Reformer wandten sich eigentlich nicht gegen die Kunst an sich, sondern gegen die Extreme beider Verhaltensweisen: gegen das rein sinnliche Vergnügen an allen, auch an den kultischen Dingen ,und gegen die kultische Verehrung von Bildern, die in sich nichts Heilige bargen." (19)

"Je mehr der symbolische, hinweisende Sinn verlorengeht, um so mehr Spielraum wird der formalen Phantasie gegeben, während andererseits beim Anwachsen des Symbols zum Objektiv-Gegenständlichen der 'Aktionsraum' der Form eingeengt und die ästhetische Wirkung in eine niedrigere Wertstufe eingeordnet wird." (20)

Bereits die ägyptischen Weiheinschriften an Tempeln beginnen durchweg mit den Worten: "Er (der König) hat dies gemacht als sein Denkmal." (45)

"Auf totale formale Kopie stoßen wir erst in historisierenden Epochen. Erst bei Bewußtsein der zeitlichen Distanz verselbständigt sich das Bauwerk der Vergangenheit auch ästhetisch. Besonders deutlich wird dieses Phänomen bei Bauwerken die nachweislich das heilige Grab in Jerusalem nachahmten. Während die Bauten des 8. bis 13. Jahrhunderts vom Vorbild und auch untereinander stark abweichen und ganz der Formensprache ihrer Zeit hingegeben sind, beginnt man im 16. Jahrhundert, die heiligen Gräber in fabelhaften und orientalisch anmutenden Formen zu errichten, die das Vorbild als gesehenes Ganzes bezeichnen möchten." (49)

"Die Jesuiten knüpften während der Gegenreformation im norddeutschen Kampfgebiet an romanische und gotische Formen an da mit ihnen der wiederherzustellende Geist des Universalismus verknüpft zu sein schien. In Bayern wo diese Kampfstellung nicht eingenommen zu werden brauchte, bauten die Jesuiten frei in der Art des von Il Gesu in Rom ausgehenden Barock ohne historisierende Neigung." (49)

"Auch bei der immer noch dunklen Geschichte der Türme in der mittelalterlichen Baukunst läßt sich sagen, daß die nachgewiesenen Verwendungszwecke als Glockenträger und Verteidigungsbauten nicht ausreichen, ihr Dasein bzw. ihre Ablehnung zu erklären. Sowohl die Zisterzienser als auch die Bettelorden haben nciht auf den Gebrauch von Glocken verzichtet, wohl aber auf die Errichtung von Türmen." (58)

"Der Gottesstaat reicht als Wirklichkeit in diese Welt hinein, und die Gläubigen sind seine Bürger. Das 'himmlische Jerusalem' stellt nicht (wie heute im historischen Denken) einen historischen Endzustand dar, 'sondern den letzten Sinn des gegenwärtigen Zustandes'. Nach einem Wort des Photios 'taucht der Gläubige in das Heiligtum, als sei er in den Himmel selbst eingegangen'. Die Kirche ist nicht nur Abbild, sondern Wirklichkeit des himmlischen Jerusalem, indem die Einzelglieder das als Wirklichkeit gegebene Sakrament und die Reliquien ausdeuten, zur Anschauung bringen." (66)

Konstantin ließ sein Grab von von 12 Säulen (Apostel) umgeben. Wahrscheinlich folgte Theoderich dem gleichen Gedanken und setzte sich damit Konstantin gleich. (66)

"Während man sich im frühen 11. Jahrhundert noch damit begnügte, nur die Namen von Heiligen auf die Säulen zu schreiben oder durch Einlagen von Reliquien sie in ihrer Realität zu steigern, drängte das 12. und 13. Jahrhundert auf anschauliche Vergegenwärtigung." (80f)

"Durch den Drang zur Verbildlichung, mit dem das 13. Jahrhundert die Epochen der Plastik und Malerei einleitet, wird die symbolische Aussagekraft der Architekturglieder gemindert und die nicht Figur gewordene Säule am Portal zum allgemeinen Repäsentationsrequisit degradiert." (82)

"Vornehmlich die Stadt, das himmlische Jerusalem, ist eine Metapher, die immer wieder in der Literatur den Gottesstaat und die Kirche vertritt: Kirche - Stadt - Gottesstaat erscheinen bis weit in das 13. Jahrhundert unter gemeinsamen Anschauungsformen." (85)

"Der Nischenbau in Aachen nun stellte insofern zwar eine machtvolle Repräsantationsform für Karl dar, als der Herrscher in einer oberen loggienartigen Öffnung in Höhe der Kaiserempore erscheinen und sich dem im Atrium versammelten Volke zeigen konnte, gleichsam in einer 'weltlichen' Apsis sich repräsentierte, aber er bedeutete doch auch, daß in der eigentlichen Pfalzkapelle Christus und Maria die Herren waren, denen Karl wie jeder andere Gläubige diente. Damit war eine Trennung bewirkt zwischen der eigentlichen Kirche im Osten, der Ecclesia trimphans, während Karl in dem bollwerkartigen, stadttorhaften Westbau, dem Symbol der Ecclesia militans, als Schützer der Kirche erschien." (107)

Der von Karl d.G. eingeführte Zentralbau der Aachener Pfalzkapelle als Königskirche als die vornehmste unter allen Kirchen, waren bereits als Mousoleen und Taufkapellen bekannt. Doch die Pfalzkapelle Karl d.G. überragte alle damaligen Bischofs- und Klosterkirchen in seinem Reich. "Mit diesem Bau, der das Selbstbewusstsein Karls vor der Kraiserkrönung dokumentiert, vertritt Karl eine Anschauung, die schon wenige Jahre später eingeschränkt wurde, aber folgenreich bis in das 13. Jahrhundert weiterwirkte." (201)

"Man kann aus der byzantinischen Baukunst vom ausgehenden 5. bis zum 12. Jahrhundert zahlreiche Beispiele dieser zentralen Hauptkirchen nennen, bei denen zuweilen direkte Beziehungen zu den abendländischen Hof- und Palstkirchen nachzuweisen sind." (203)

"Die römische, von Gregor dem Gr. formulierte Liturgie wird unter Pippin eingeführt, der Apostel Petrus rückt in die Mitte der Heiligenverehrung, die Peterskirche in Rom, seit dem 6. Jahrhundert die Lateranbasilika an Ansehen überflügelnd, wird nach Einhards Zeugnis von Karl vor allen anderen geachtet." (225)

Während die Benediktinerabteien St. Denis, Fulda Hersfeld (831-850), Seligenstadt (831-840) als Reichsklöster, Residenzen des Kaisers auf seinen Reisen, in diesem Grundrißtyp vorausgingen, tritt im 10. und 11. Jahrhundert der Bischofsdom als Staatskirche in den Vordergrund und wird zum ersten Repäsentanten dieses Grundrisses: Mainz, Speyer, Worms, Straßburg, Konstanz, Basel, Augsburg, Salzburg, Magdeburg, Minden, Paderborn, Goslar, Hildesheim, Merseburg, Bamberg, Naumburg. Damit sollte gleichsam die römische St.-Peters-Kirche gebannt und vertreten werden." (226)

"In den engen Vereinigungen des Sacerdotium und Regnum im Bischof als oberstem örtlichen Kirchen- und Reichsbeamten erfährt der Reichsgedanke, wenn auch nur für kurze Zeit, seine mächtigste Ausbildung. Kaiser und Papst waren in diesen Kirchen Mitglieder des Stifts oder Kapitels und Häupter der Kanoniker. Für beide waren diese Gebäude die Orte ihrer Repräsentation." (227)

"Da die Kirche ein architektonisches Abbild des Gottesreiches ist, das seit Karl von Kaiser und Papst repräsentiert wird, könnte auch die auffällige Anfügung dieses Bauteils mit der Gesamtvorstellung in Zusammenhang gebracht werden." (227)

"Die Anlage eines zweiten Chores hatte wichtige Folgen für die ostfränkische Baukunst: Aufhebung des Wegcharakters in der Anordnung der Bauteile, auswägende Gruppierung statt Längsrichtung. Doppelchörige Anlagen sind schon in vorchristlicher Zeit zu finden (...), in christlicher vorkarolingischer Zeit auf dem ganzen Imperiomsboden, in Nordafrika, England und Katalonien. Zu größter Dichtigkeit versammeln sie sich jedoch in karolingischer und vor allem in ottonischer Zeit im ostfränkischem Raum. Danach läßt ihre Zahl nach, ab 1250 sind sie verschwunden. Das nördlichste Beispiel ist Bremen, die westlichsten sind Besancon, Verdun und Nivelles, die südlichsten St. Gallen und Füssen, die östlichsten Magdeburg, Merseburg und Regensburg. Außerhalb des deutschen Siedlungsgebietes gibt es seit karolingischer Zeit nur zwei Beisspiele: Nevers und Thum bei Lemschitz. Sie sind nur an Kloster-, Stifts- und Bischofskirchen zu finden, nicht aber an Pfarrkirchen." (227)

"Gewiß hängt die auffällige Verbreitung im ostfränkischen Raum des 9. bis 12. Jahrhunderts sowie die auffällige Ablehnung des Gegenchores bei kaiserfeindlichen Richtungen und Ländern mit der vor allem in ottonischer Zeit zugewachsener Bedeutung als Königschor zusammen. Der Augustinische Gedanke vom Gottesstaat, der sich auf Kaiser und Papst als gleichwertigen Mächten aufbaut, ist for allem in ottonischer und staufischer Zeit vorgetragen worden." (228)

"Im Westchor saß der Kaiser und nahm am Staatsgottesdienst teil; bei Konzilien und Synoden hatten Kaiser und Papst gemeinsamen Vorsitz; in der zeitgenössischen Dichtung, im Annolied, in der Kaiserchronik und im Spiel vom Antichrist hatten Kaiser und Papst einen gleichen Rang. Ihre Legitimierung erhielten die in den beiden Chören angesiedelten Gewalten durch den Kreuzaltar in der Mitte.
Es wird so verständlich, daß nach Canossa, als die Kaiserkrönung von ihrem sakralen Charakter verlor, der Kaiser nicht mehr ein zum Eingriff berechtigtes Glied der kirchlichen Hierarchie war, nach 1220 sogar als Laie angesehen wurde, Christus nicht mehr als König, sondern als Leidender erschien, die Ideologie des Kaisertums erlosch und im Kirchenbau der Gemeinderaum an Bedeutung zunahm, auch das Ende der doppelchörigen Anlagen gegeben war." (229)

"Auch die anderen großen Repräsentanten der triumphierenden Kirche, die mit Alt St.-Peter wetteifern wollen, folgen diesem Typ: die großen Wallfahrtskirchen in Ripoll, St. Sernin in Toulouse und Santiago di Compostela und vor alem die Hauptklosterkirchen der Benediktiner. An erster Stelle ist der Desideriusbau (1066-1090) in Monte Cassino zu nennen, der einen großen Einfluß auf die Baukunsts Kampaniens und Apuliens hatte. Desiderius ließ hier am Triumphbogen 'in goldenen Lettern ein Distichon anbringen, das der in der römischen Petersbasilika an derselben Stelle befindlichen, auf Kaiser Konstantin zurückgehenden Inschrift entnommen war'. In Sizilien, Kalabrien und Oberitalien (Amalfi, Messina, Acqui, S. Abondio in Como) scheint aber dieser Typ der St.-Peter-Nachfolge nicht von Monte Cassino, sondern von dem Majolusbau in Cluny (955-981) auszugehen." (236)

Cluny III hat ähnliche Kapitelle wie der Dom von Speyer. (237)

Es kommt zur "sogenannten mittelalterlichen Renaissancen der karolingischen, ottonischen und staufischen Zeit, die als Universalstile im ganzen Geltungsbereich des die Formen erwälenden Traditionsträgers sich ausbreiten, ohne Berücksichtigung deer landschaftlichen Neigungen. Künstlerischer Schwerpunkt ist die Heimat des Traditionsträgers: das Maas- und Niederrheingebiet in karolingischer, Sachsen in ottonischer, der Oberrhein in salischer, der Niederrhein, das Elsaß und Unteritalien in staufischer Zeit." (241)

"Der Investiturstreit, der die Bischöfe in den Zwiespalt von Reichs- und Kirchentreue brachte, vollendete ihre Stellung als weltliche Fürsten. Nun sahen sich die Kaiser veranlaßt, nach den Gaugrafen und Bischöfen eine dritte Institution als Gegengewicht gegen die landesherrlichen Interessen zu unterstützen, die Städte. In Speyer, Mainz und Worms z.B. werden die Städte in ihren Rechten gegen den Bischof durch die Kaiser bestätigt, und eine neue Schicht von Bauherren wird sozusagen zu 'kaiserlichen' Inschriften, Denkmälern und turmreichen Bauten autorisiert." (242)

Kunst als Bedeutungsträger (Gedenkschrift für Günter Bandmann) (1978)

"Diese Sammlung von Aufsätzen sollte ein Festschrift werden. Im Herbst 1974 schien es uns eine selbstverständliche Verpflichtung zu sein, weine Festgabe zu planen, die Günter Bandmann zu seinem 60. Geburtstag - er wäre am 10. September 1977 sechzig geworden - zugedacht war. Verbundenheit und Dank sollten durch Beiträge bezeugt werden, die sich in dieser oder jener Form den Interessen und Forschungsgebieten Bandmanns zuordneten. Nach dem viel zu frühen Tode Bandmanns am 24. Februar 1975 wandelte sich die Festschrift zur Gedenkschrift - als ein Zeugnis für den Verlust, der die deutsche Kunstgeschcihte betraf, und zugleich als ein Zeichen, daß viele in sehr verschiedener Weise das Gespräch um Probleme weiterführen wollen, deren Erhellung gerade Bandmann entscheidende Impulse verdankt." (XI[3]

Franz Rademacher: Zur Symbolik des Drachens im Mittelalter.

[4] "Der Drache zählt zu den Fabelwesen und ist, wie eine Reihe anderer mittelalterlicher Ungeheuer, ein Mischwesen. Daher ist er nicht immer leicht von anderen Tieren zu unterscheiden. Dies gilt vor allem gegenüber der Schlange und dem Basilisken. Ohne Beine und Flügel läßt sich der Drache von der Schlange, als deren 'Sproß' er sich in den Acta Thomae bezeichnet, meist nur an dem ziemlich ausgeprägten Drachenkopf unterscheiden. Und vom Basilisken, der gleichfalls ein Fabel- und Mischwesen ist, trennt ihn namentlich dessen Vogelkopf mit hahnenförmigem Kamm." (61)

"In seiner Deutung ist der Drache zwiespältig. In der Volksmeinung galt das Drachenungeheuer, das die Phantasie des mittelalterlichen Menschen als ein real gedachtes Wesen aufs lebhaftigste beschäftigte, meist als das Untier schlechthin, als die Verkörperung alles Bösen und Unheilvollen. Heldenhafte Drachenkämpfer spielen in heignischen Mythen, Sagen und Legenden zahlreicher Völker eine besondere Rolle. In der christlichen Kunst tritt an deren Stelle vor allem der Erzengel Michael, der Drachenbezwinger und Seelengeleiter. In hartem Kampf besiegt er mit seinem Engelgefolge den apokalyptischen Drachen." (Offb 12,9) (61)

"Für die Kirche war der Drache die Inkarnation des Dämonischen, des Sündhaften und Teuflischen, gegen dessen Einfluß anzukämpfen die immerwährende Auseinandersetzung des Guten mit dem Bösen, des Lichtes mit der Finsternis bedeutet." (61)

"Viele Heilige hatten nach der Legende in ihrem Leben harte Kämpfe mit dem Drachen, gleich dem Teufel, dem Antichristi, dem Symbol des Heidentums zu bestehen. Sie sind die Vorbilder für die Gläubigen, die nur in ständigem geistigem Kampf mit der Macht des Bösen den Lohn des ewigen Lebens erringen können." (62)

"Nach der Anschauung des von dämonischen Mächten sich ständig bedroht fühlenden Menschen des Mittelalters gab es einen Ort, der dem Eindringen böser Geister besonders ausgesetzt war, nämlich das Dach eines Gebäudes, sei es eines Hauses, eines Speichers, eines Turmes oder einer Kirche. Das Dach, bzw. die Zone zwischen Baukörper und Dach, oder das Dachgesims galt daher als besonders schutzbedürftig, was die Menschen seit alters zu Abwehrmaßnahmen gegen böse Mächte gerade an diesen gefährdeten Stellen veranlaßte. Masken mannigfachster Art, ferner Tiere bzw. Tierköpfe übernahmen vorwiegend diese apotropäische Schutzfunktion. Unter den Tieren spielt hierbei der Drache eine bevorzugte Rolle. In den fratzenhaften Wassersepeiern gotischer Kathedralen, die häufig Drachen und Teufel sowie ähnliche Monstren wiedergeben, ist diese Vorstellung durchaus noch lebendig, und im Volksglauben und in der Volkskunst vieler Länder lebt sie bis heute fort." (63)

"Am eindruckvollsten treten uns Kirchenbauten, die durch Drachen gegen das Eindringen von Dämonen geschützt werden, in den norwegischen Stabkirchen romanischer Zeit entgegen. Sie sind bedeutende Zeugnisse einer eigenschöpferischen germanischen Holzbaukunst. Bei Ihnen kommt der apotrophäische Charakter der in den Köpfen der Drachen gesammelten Abwehrkraft am reinsten zum Ausdruck." (63)
Borgund : https://www.openstreetmap.org/#map=16/61.0466/7.8125
Fortun : https://www.openstreetmap.org/#map=17/61.49315/7.68665
Fantoft : https://www.openstreetmap.org/#map=16/60.3529/5.3572
Hopperstad : https://www.openstreetmap.org/#map=17/61.07748/6.56906

Erika Doberer: Romanische Figurenfriese und ihre ehemaligen Bildträger

[5]

"In seiner richtungsweisenden Interpretation der mittelalterlichen Sakralarchitektur hat Günter Bandmann besonders auf die schrankenartigen Einbauten an der ursprünglichen Grenze des liturgischen Chores hingewiesen und ihre wesentliche Bestimmung als sakrale Bildträger hervorgehoben, die aus ihrer primären Funktion der radikalen Raumschneidung zwischen Klerus und Laienschaft erwachsen ist. An der Front des abgeschrankten Bereiches der einst dem Chorgebet diente und gleichsam eine 'Kirche in der Kirche' bildet, bot der hochmittelalterliche, mit Kreuzalaltar und Trimphkreuz verbundene Lettner einst seine gegliederte Schauseite, zumeist mit figuraler Ausstattung, den Blicken der versammelten Laien dar. Das Programm der polychromierten Reliefbildwerke, die den später zerstörten Einbauten, den romanischen Steinlettnern sowie ihren gotischen Nachfolgern angehörten, entsprach vor allem dem Inhalt des gesungenen, eben von der Lettnerbühne aus verkündeten Wortes, umfaßte also wichtige Ereignisse der Heilsgeschichte, die jeweils in verschiedenen, entweder typologisch oder neutestamentarisch ausgerichteten Zyklen szenisch dargestellt wurden." (77)

"Bei der nachmittelalterlichen Erneuerung des Kircheninnern kam es auf dem europäischen Kontinent fast überall zur bewußten Zerstörung der übermannshohen, den Raumeindruck blockierenden Einbauten, von welcher besonders die romanischen Lettner und Schranken betroffen waren;" (77)

"In den Schriftquellen scheint die nachmittelalterliche Wiederverwendung von Lettnerfragmenten nur selten auf; wahrscheinlich vollzogen sich derartige Maßnahmen zumeist nach improvisierten, teilweise lokal bedingten Beschlüssen, deren Inhalt ja auf die Beschaffenheit des jeweils vorhandenen Baudenkmals abgestimmt sein mußte. In dieser Hinsicht erweisen sich einige tridentinische Konzilsbestimmungen als bezeichnende Äußerungen, in denen die kirchliche Auseinandersetzung mit dem damals aktuellen Schicksal derartiger Bruchstücke zum Ausdruck kommt. Im Zusammenhang mit der Restaurierung von Kirchen wird in Tridentinum für den Fall eines Abbruchs festgelegt, daß die 'usus sordidi' solcher Fragmente, als eine mißbäuchliche Verwendung sakraler Werkstücke, zu vermeiden sei." (78) (Tridentinum, 21. Sitzung, Kapitel 7)

"Von manchen Reliefplatten abgehobener Lettnerbrüstungen wissen wir heute schon, daß sie mit ihren glatten Rückseiten auf den Fußboden der Kirche eine bescheidene Verwendung fanden, welcher wir aber die spätere Auffindung hervorragender Bildwerke, wie jene vom Jubé der Kathedrale von Chartres, verdanken." (80)

In St. Gilles wurden die Platten des romanischen Lettners in das Westportal eingearbeitet. (84)

Beaucaire : https://www.openstreetmap.org/#map=18/43.80811/4.64356
Tarascon : https://www.openstreetmap.org/#map=17/43.80558/4.65588 Tarascon : https://www.openstreetmap.org/#map=17/43.80511/4.66041 I - Modena : https://www.openstreetmap.org/#map=17/44.64630/10.92552

Anhang

Anmerkungen


Einzelnachweise

  1. Günter Bandmann: Ikonologie der Architektur. 2. Auflage. Darmstadt 1969.
  2. Günter Bandmann: Mittelalternliche Architektur als Bedeutungsträger. Berlin 1951.
  3. Werner Busch, Reiner Haussherr, Eduard Trier (Hg.): Dunst als Bedeutungsträger. Gedenkschrift für Günter Bandmann. Berlin 1978.
  4. Franz Rademacher: Zur Symbolik des Drachens im Mittelalter. Apotropäische Drachen an Kirchengiebeln und auf Reliquiaren. In Werner Busch, Reiner Haussherr, Eduard Trier (Hg.): Dunst als Bedeutungsträger. Gedenkschrift für Günter Bandmann. Berlin 1978, 61-76.
  5. Erika Doberer: Romanische Figurenfriese und ihre ehemaligen Bildträger. In: Werner Busch, Reiner Haussherr, Eduard Trier (Hg.): Dunst als Bedeutungsträger. Gedenkschrift für Günter Bandmann. Berlin 1978, 77-94.